jeudi 22 novembre 2007

Und noch mehr STREIK!

UAAAAAHHHH (gähn) Mir ist so langweilig!!! Seit 1 1/2 Wochen streiken die Studenten an meiner Fakultät und gestern haben sie beschlossen, das ganze nochmal um eine Woche zu verlängern. Bis nächsten Mittwoch - da ist dann die nächste Abstimmung. Und ich kann noch nichtmal meine Zeit hier nutzen und Ausflüge machen - die Bahn streikt ja auch! Überhaupt war Dienstag Tag des Generalstreiks. Eine Demonstration von 4000 Menschen (laut Zeitung) schob sich durch die Innenstadt von Angers. Ich hab sie nicht gesehen - konnte aber ihre lauten Rufe bis in meine Wohnung hören. Aber Sarko schweigt...
Gestern war ich bei der AG (=Assemblée Générale=Vollversammlung) der Studis unserer Fac (=Fakultät) um mir das Spectacle mal anzuschauen. Drei Stunden haben Studenten Reden gehalten und ihren Standpunkt verteidigt. Über das neue Gesetz und über das weitere Vorgehen...Die rund 1000 anwesenden Studis saßen alle friedlich im Schneidersitz auf dem Boden der Turnhalle (nein - sie haben nicht meditiert) und hielten ihre Hände drehenderweise in die Höhe (nein - sie spielen keine Kindersingspiele - das bedeutet vielmehr Zustimmung) oder zeigen mit den Daumen nach unten (vor allem wenn sich Jurastudenten aus der anderen Fac ans Mikro trauen um uns klar zu machen, wie doof wir alle sind und auch illegal). Es war sehr interessant...wenn auch drei Stunden lang. Am Ende wurde abgestimmt, ob der Streik weitergeht. Ich war dagegen, damit aber leider nur eine von 428. Wogegen die Streikmacht immer noch 483 ausmacht. 39 Enthaltungen. Man sieht, die Pro- und Kontraseiten nähern sich zahlenmäßig immer mehr an. Prognosen einschlägiger Fachleute sagen, dass das nächste Mal Schluss sein wird mit Streiken. Sarko ist das eh egal...
Ich freu mich schon auf eine neue Woche bis 12 Uhr schlafen, vor dem Computer oder Fernseher gammeln, mein Geld in Kneipen rausschmeißen...Hurra....Das ist französische Streikkultur!

Mutige Sprecher und Lokalfernsehen


Sprecher mit Hut und Arafat-Tuch bekommen besonders viel Zustimmung ;)
(Im Hintergrund das Moderationsteam)


Nicht alle sind politisch hochengagiert...da kann man auch mal einschlafen

Doch Singspiele zur Abwechslung? Oder Puppentheater?

lundi 19 novembre 2007

Noch mehr STREIK!

Der Streik geht weiter...am Freitag haben die Studenten beschlossen, noch bis einschließlich Mittwoch die Stuhlbeine durch die Türgriffe des Unieingangs zu schieben. Dann wird zum 3. Mal abgestimmt. Vielleicht streiken wir noch bis Weihnachten durch! Das wär doch schön!
Gleichzeitig hat der SNCF mit Freuden eine Verlängerung seines Streikes angekündigt. Nix fährt mehr.
Vor allem morgen, Dienstag, der 20. November 2007. Da ist nämlich der Tag des Streiks. Uni zu, Bahn im Stillstand - und noch eine dritte Gruppe folgt dem Gruppenzwang: die Beamten. Das bedeutet: alle Schulen werden geschlossen, die Post streikt, die France Telecom streikt (und noch einige mehr die ich wegen der Mannigfaltigkeit dieser Streikvariationen vergessen habe). Ergo: Am besten im Bett bleiben. Keine Schule, keine Uni, keine Bahn, um einen Ausflug zu machen, die Post kommt nicht, die Telefonleitungen werden im Falle ihres Todes nicht repariert.... In Frankreich herrschen chaotische Zustände, ANARCHIE! Und alles wegen Sarkozy (sagen die mit mir kommunizierenden Franzosen). Ach ist das schön, Erasmusstudent in Frankreich zu sein ;)

vendredi 16 novembre 2007

STREIK!

Wenn des Franzosen liebstes Obst die Meeresfrucht ist, ist des Franzosen liebstes Hobby STREIKEN. Und zwar immer und überall. Der SNCF (französische Bahn) streikt gerade zum 264. Mal dieses Jahr. Und sie haben einen wichtigen Verbündeten gefunden: die Studenten (vor allem die der Geisteswissenschaften). Die haben nämlich einfach mal eine Vollversammlung einberufen und dafür gestimmt, dass die Uni verrammelt wird. Jetzt stecken zwischen den Türgriffen des Haupteingangs Tisch- und Stuhlbeine, die Wände sind mit Streik-Plakaten tapeziert und ein paar Linksalternative lümmeln vor dem Eingang rum und halten sich für revolutionär. Dabei ist die Stimmung eigentlich eher anti-Streik. Obwohl die Mehrheit dafür gestimmt hat, ärgern sich doch die meisten, dass keine Kurse stattfinden und sie viel Stoff verpassen. Deswegen stecken sie den Kopf in den Sand und die Nase in die Bücher. Die Bibliothek war dementsprechend mit motivierten Studenten bevölkert. Vielleicht bringt auch erst der Streik die Motivation zum autonomen Lernen à la "freie Universität". Man weiß es nicht. Der Grund für den Streik ist jedenfalls ein neues Gesetz: Die Regierung hat beschlossen, die Unis mit keinerlei Flüssignahrung mehr zu versorgen. Kein Geld, keine Bildung. Sponsorensuche ist angesagt - und damit der Grabstein für die Geisteswissenschaften gemeißelt. Ähnlich wie letztes Jahr in Deutschland. Und vor zwei Jahren in Frankreich. Da gab es nämlich schonmal einen Generalstreik der Studenten, der 2 1/2 (!!!) Monate angedauert hat! 2 1/2 Monate fand keine Uni statt! Das ist fast ein ganzes Semester! Und gebracht hat es nicht wirklich was. Aber es ist der einzige Weg, auf sich aufmerksam zu machen, sagen die Studenten...Heute ist die nächste Abstimmung, ob der Streik weiter geht, oder nicht. Ich halte euch auf dem Laufenden!

Studenten drängeln sich zur Vollversammlung, leider passt die Hälfte nicht in den Hörsaal...

Beschlossene Sache: Université en grève! Uni im Streik.

Der Haupteingang meiner Fakultät mit ein paar lümmeligen Linksalternativen ;)

Fac bloquée - Fakultät blockiert. Und zwar nur die Geisteswissenschaftliche. 470 Stimmen dafür, 261 dagegen, 38 Enthaltugnen.

dimanche 11 novembre 2007

Grande Bouffe und Vorenthaltenes

Salut!

Auf die unvereinbaren Eigenheiten des uns bekannten französischen Essens (siehe Stadtspiegel-Artikel) folgt die Antwort. Direkt, radikal und gesund. Wir kochen. Wir schmausen. La grande bouffe! Großgruppen der ausländischen Studentenschaft versammeln sich in meiner (Groß-)küche und kreieren allerlei Gesundes: Gemüse, Kartoffeln, Gemüse-Katroffeln-Auflauf (sehr gern gesehen: im Wohnheim gibts keinen Ofen). Eine Zelebration der biologisch abbaubaren Küche.

Und am Tag darauf folgt der Brunch. Um 14 Uhr, damit man auch ausschlafen kann, und mehrere Stunden lang. Danach kämpfen alle mit kollektiven Schein-Schwangerschaften...
Nach dem bouffieren wird gerne gefeiert. Hier sind uns die Vitamine zu Kopf gestiegen:

Zur Zeit des vorübergehenden Wachkomas meines Ordinateurs (Computer) habe ich euch viele Dinge vorenthalten, von denen ich jetzt mal Fotos hier reinstellen werde.

Hier also das Vorenthaltenes in Bildern:

Wohnzimmerparty bei mir zu Hause...

Oh, wie schön ist Angers (vor allem, wenn hoher Besuch da ist)...




Party-Pics...

Linda, Dani, moi, Anne (allet echt deutsche Mädels)

französisch-deutsche Connection: moi et Allison

Lorenzo, Katha und ich

Abstecher nach Nantes...
Katha, Dani, Maxim (Quebec) und Anne

jeudi 8 novembre 2007

Stadtspiegel Wattenscheid 7. November 2007

Mein Kalender zeigt November. Beginn des dritten Monats. Kann das sein? Ich spüre weder den Fluss der französischen Sprache durch meine Kehle strömen, noch hat sich letztere ausnahmslos an die hiesige Esskultur angepasst. In ihr bleiben nicht nur einige Wörter stecken, sondern auch Brocken des lätschigen, langen, weißen Teiggebildes, das wahrscheinlich noch nie ein Vollkorn zu Gesicht bekommen hat. Kurzum: Ich vermisse deutsches Brot! Kernig, knackig, knusprig. (Ich habe das Gefühl, je länger ich in Frankreich bin, desto mehr steigen meine Chancen auf eine erfolgreiche Karriere in der Öffentlichkeitsarbeit der deutschen Brotindustrie). Der Ort für kerniges Brot ist in Frankreich der Markt. Hier stehen sich noch urige Bauernhofbäcker die Beine in den Bauch, um ihr Vollkornbrot feil zu bieten, das jedoch eher das Attribut: „in Müsli gefallen“ verdient. Diese Variante leistet sich dann auch gleich einen Preis von neun Euro pro Kilo. Also doch wieder Weißbrot… Der französische Markt ist wie ein Zoo. Neben besagtem Entenfutter gibt es auch Lebendviech. Ehemaliger Wohnort: der Atlantik. Heute: Markt auf dem Place de Lafayette, gleich hinter dem Bahnhof von Angers. Lange krebsige Klauen schieben sich über den Ladentisch, scheinen ihren zukünftigen Herrchen zuzuwinken: ein makaberes „Tiere suchen ein Zuhause“. Umringt wird der Riesenkrebs von allerlei Gemuschel und anderem Kleingetier. Denn Meeresfrüchte sind der Franzosen liebstes Obst. Gleich dahinter kommt der Aal, der zur Tötung in Sand gewälzt wird. Ein interessantes Schauspiel.
Wurde dann erfolgreich auf dem Markt eingekauft, folgt das Schmausen. Und der Franzose wäre kein Franzose, würde dies nicht in Form eines ausgedehnten Picknicks im Kreise seiner noch ausgedehnteren Familie erfolgen. Am besten kombiniert mit einem tollen Ausflug ins Grüne. So packte die Familie meiner Mitbewohnerin Léa einst Baguette, Rotwein, Käse, die Oma, Onkels, Tanten und Cousinen in mehrere Autos und fuhr los. Ziel: Das Grüne. Mit einem Viadukt in der Mitte – von dem man Bungeejumpen kann. Was Léa und ein beträchtlicher Teil ihrer Familie dann auch tat. Natürlich nach dem Schmausen. Das Essen ist zum Glück im Bauch geblieben. Wäre sonst auch schade drum.
Ein zweites sportliches Großereignis spielte sich jener Tage in Frankreich ab: Die Rugby-WM. Frenetisch gefeiert (meiner Meinung nach schlichte Verdrängungstherapie, um den Finalverlust der Fußball-WM endlich zu verkraften) und im Halbfinale rausgeflogen (jetzt braucht es eine neue Verdrängungstherapie – die ganze Arbeit umsonst). Die noch von der Fußball-WM mit Videobeamern und Flachbildschirmen ausgestattete Gastronomie hat sich am meisten gefreut: 44 Tage volle Kneipen und volle Menschen (Mit Bier – entgegen der französischen Weinkultur. Aber Rugby ist ja auch eher ein Sport der anglophonen Länder, da kann schon mal Bier getankt werden). Ich habe diesen Sport trotz meiner kulturellen Integrationsbemühungen mit Ignoranz gestraft. Bullige Menschen männlichen Geschlechts jagen und treten sich selbst und einen Rotationsellipsoid (laut Wikipedia die Bezeichnung für den eierigen Ball). Der kann wahlweise in das gegenerische Feld gelegt oder über ein Riesentor gekickt werden. Ich bezweifele, dass die Millionen temporärer französischer Rugbyfans die Spielregeln kennen. Ich kenne sie nicht (aber ich gehöre ja auch nicht zu eben genannter Menge).
Andere Spielregeln sind mir während meines Frankreichaufenthaltes jedoch schmerzhaft klar geworden: die der französischen Bürokratie. Wenn man ihr gegenübertritt, benötigt man zwingend zwei Dinge: Geduld und Passfotos. Ohne Passfotos geht hier nix. Für den Studentenausweis ist es ja noch verständlich. Doch in meinem Portemonnaie befinden sich noch folgende weitere Ausweise mit Passfotos: Busticket, Bahncard, Unisportausweis, Unichorausweis (?!). Um an diese Ausweise heranzukommen, bedarf es neben Passfotos noch einem Termin und ausgedehntem Schlangestehen. Denn ein Termin ist nur die Lizenz, überhaupt bedient zu werden. Ist es dann endlich soweit, wird einem schnell klar, dass man wahrscheinlich noch weitere Termine benötigt. Der Franzose kümmert sich generell nicht vor übernächster Woche um deine Angelegenheit. Um die Wartezeit zu überbrücken, gibt er dir freundlicherweise noch 20 Formulare mit und möchte noch weitere 20 Bescheinigungen von dir haben.
Die Sportart des Schlangestehens wird zudem noch ganz ausführlich und intensiv vor der Uni-Mensa ausgetragen. Will man Mittagessen –und das heißt im wörtlichen Sinne um 12 Uhr Nahrung zu sich nehmen, denn nur dann hat man eine Freistunde- muss man mit mindestens 30 Minuten Wartezeit rechnen. Lange Schlangen, fünfmal um die universitäre Futteranstalt gewickelt, kriechen langsam und laut brummend vor sich hin (das Brummen stammt aus der Magengegend der armen Studenten). Hat man dann endlich sein Essen, hat man etwas anderes nicht mehr: Zeit. Mein Rekord ist 1 Stunde 15 Minuten Wartezeit.
Nach dem Essen geht es für mich zurück in die unheimlich bildende Bildungsanstalt, in der ich leider Englisch studieren muss (wurde mir durch mein deutschen Studiengang auferlegt). Das Englisch-Niveau der im dritten Jahr studierenden Franzosen befindet sich auf der Stufe einer 12. Klasse im deutschen Gymnasium. „Wie strukturiert man ein Essay?“ gehört hier zu den Fragen, die die Denker bewegen. Leider gibt stets der Professor die Antwort, die armen Studenten sprechen nicht. Aus Angst oder Unvermögen – man weiß es nicht. Halten sie ein Referat, wird abgelesen und aus Solidarität für die Mitstudenten diktiert. „Powerpoint-Präsentation“ ist ein Fremdwort, leider auch „Tageslicht-Projektor“ oder „Computer-getippt“. Stattdessen wird fleißig die Sonntagsschrift geübt. Für mich bedeutet das: Faulenzen, schlafen und eine enorm gewachsene Wertschätzung meine heimischen Dortmunder Uni. Aber Austauschstudent sein heißt ja schließlich: Feiern, reisen, feiern. Davon in meiner nächsten Kulturanalyse. A bientôt!

samedi 3 novembre 2007

WIEDER DAAAAAAAA!!!!

Hallo meine lieben Blogleser!! (Ich hoffe ihr seid es noch, nachdem ich euch mit wochenlanger Abwesenheit gestraft habe - aber mein Computer war kaputt!)
So, endlich habe ich mein liebstes Spielzeug zurück und noch besser - ganz viel zu erzählen! Und zwar: der Urdrang eines jeden Austauschstudenten - nämlich der nach Veränderung - ist bis in meine Haarspitzen vorgedrungen. Die sind nämlich jetzt ab. Seit heute. Hier der Beweis.


Weitere Veränderung: Ich hab kurzzeitig mal den Ort gewechselt. War eine Woche im schönen wenn auch stressigen London und habe Flo und Kate besucht. Hier der Beweis (man beachte den blauen Himmel, der uns zwei Tage beglückte).



Als ich dann wieder hier in meiner Wahlheimat Angers eingetrudelt bin (das ist das richtige Wort, man beachte meine Reiseroute: Bus, Bahn, Flug, Bus, Straßenbahn, Straßenbahn, Zug. Das ist jedenfalls besser als die Hinfahrt, wo ich nämlich das Element "Flug" fast aus Unorganisiertheits- und Trödelgründen hätte streichen können). Ähm, jedenfalls, als ich dann wieder hier in meiner Wahlheimat Angers eingetrudelt bin, kam mir alles doch ganz schön komsich vor. Mein Französisch hatte sich auf einen Minimalbestand zurückgeschraubt und auch sonst wollten sich erstmal nicht so rechte Heimatgefühle einstellen. Aber mittlerweile sind alle Startschwierigkeiten überbrückt. Spätestens nach einem echt französischen Tag bei Léas Oma. In einem Häuschen auf der Loire-Insel Challonne lebte einst ein greises Ehepaar.... In ihrer großen Bauernküche steht ein großer Tisch, an dem sich oft die Enkel versammelten, um zu speisen und Spiele zu spielen. Manchmal stand diese Küche jedoch unter Wasser. Und zwar dann, wenn die Loire ihren Pegel einige Meter über Normalnull anhebt, um den Bewohnern ihrer Insel einen Streich zu spielen. Letzten Freitag war zum Glück alles trocken. Die Oma kochte folgendes: Rotkohlsalat, rote Beete und Baguette als Vorspeise. Fischröllchen, Reis, Kartoffeln und Baguette als Hauptspeise. Käse, Butter und Baguette als Abrunder. Apfelkuchen als Nachspeise (ohne Baguette). Danach spazierten wir einige Stunden über das Inselchen, um uns später mit einer Runde Triomino und Kniffel zu vergnügen. Das war sehr nett...Allerdings tauchen mich französische Familienversammlungen immer in unfreiwillige und andauernde Schweigsamkeit...Mein Sprachvermögen ist durchaus noch verbesserungswürdig...




Gestern abend gab es ein lustiges Kochen unter Erasmus-Studenten. Das Ergebnis von zwei Monaten Studentenküche (Mikrowellenpizza etc.) ist ein unendliches Verlangen nach Dingen, die viele in Kindheitsjahren heimlich auf den Kompost gekippt haben. Wir kochten: Gemüse! Genauer: Ratatouille (wie schreibt man das?) mit Weizenkeimen (sehr beliebt in Frankreich, geht so einfach wie Nudeln kochen) und Fleisch (auch sehr seltene Kost eines Studenten weil teuer). Nachtisch: Kaiserschmarren! Sehr französisch... ;) Es war ein großer Spaß und großer Schmaus. Jetzt hab ich Durchfall... :)

Markt in Angers: an die lebendigen Riesenkrebse haben wir uns dann doch nicht getraut...
Soweit meine Neuigkeiten...Morgen geht die Uni wieder los (ich hatte eine Woche Allerheiligen-Ferien - davon träumt man in Deutschland, oder ?? ;) )

Stadtspiegel Wattenscheid 13. Oktober 2007

In Frankreich ist immer alles ein großes "Spectacle"
Gesa Dördelmann berichtet von ihrem Auslandssemester in Angers

Gesa Dördelmann ist wieder für den Stadtspiegel Wattenscheid als "Auslandskorrespondentin" tätig. Vor fünf Jahren berichtete sie als Austauschschülerin aus den USA. Nun schreibt sie über ihre Eindrücke als Austauschstudentin in der französischen Universitätsstadt Angers. Hier ist ihr erster Bericht.

Wir lieben es für seinen alkoholisierten Traubensaft, fettigen Blätterteighörnchen, trockenen Teigstangen und natürlich für seine schönen Sandstrände mit wahlweise wildem Atlantik oder zahmem Mittelmeer – Frankreich. Ein Land, dass uns geographisch so nah ist, von zahlreichen Urlauben gut bekannt. Aber was machen die Franzosen so, wenn sie sich nicht gerade von ihrer touristischen Seite zeigen? Ich habe mich aufgemacht, die (Un-)tiefen der französischen Kultur zu erkunden. Für ein Semester werde ich in Angers studieren, einer 150.000-Einwohner Stadt mit 20% Studenten, nicht weit von der Loire und dank Hochgeschwindigkeits-Zugverbindung auch nur 1 ½ Stunden von Paris.
Dort befinde ich mich jetzt schon seit gefühlten drei Monaten und echten drei Wochen – soviel habe ich erlebt und haben meine Antennen aufgeschnappt. Es folgt eine kleine Kulturanalyse Teil 1 (natürlich rein subjektiv und ohne Anspruch auf Repräsentativität – das muss man als Student ja anfügen).
Als ich an einem schönen Spätsommerabend Anfang September hier ankam, empfing mich gleich ein großes „Spectacle“. Und zwar war ganz Angers durch Feuerinstallationen künstlerisch illuminiert. Dazu gab es noch viele Fressbuden und Theateraufführungen. Auf der sich durch die Stadt schlängelnden Maine (kürzester Fluss Frankreichs, nur 10km lang) haben sich auf wundersame Weise verkleidete Menschen, Fahrräder, Kutschen und Straßenlaternen versammelt, um dramatisch und ohne Worte ein Straßentreiben darzustellen – das besondere daran: Alle schienen auf dem Wasser zu laufen/fahren. Das also ein Beispiel für „Spectacle“. Ein Wort, dass mich immer wieder zum Schmunzeln verführt, da das deutsche „Spektakel“ doch so gut wie niemanden mehr findet, der es gnädig in seinen Mund nimmt und ausspricht. Es sei denn, es ist ein genervter Vater, der seinen quengeligen Kindern zuruft: „Macht doch nicht so ein Spektakel!“. Oder ein Herr, der von der 100-Jahres Feier seiner Dorfgemeinde zurückkommt und sagt: „Das war aber ein riesiges Spektakel!“. Die Franzosen benutzen das Wort immer und überall. Gibt es irgendwo ein „Spectacle“? – Dann nichts wie hin!
Auf jedem „Spectacle“ trifft man natürlich alle seine Freunde und Bekannten. Und die Freunde der Freunde und Bekannten. Das bedeutet Arbeit! Denn die französische Begrüßungsformel für alle, die man über 20 Ecken kennen könnte, lautet: Küsschen! Und das in verschiedener Anzahl: Ist man ganz dick befreundet, gibt es 4 davon auf die Wange. Das stuft sich dann ab bis 1 Küsschen für den Bekannten vom Bekannten vom Bekannten. Trifft man also eine Gruppe, wird sich erstmal über einen längeren Zeitraum abgeknutscht. Aber jetzt fängt das Rechnen an: Wie viele Küsschen für welche Person? Ganz schön kompliziert. Unter Umständen verpasst man dann das ganze „Spectacle“…
Ist der Franzose nicht auf einem „Spectacle“, dann spielt er natürlich – Boule. Um keine Vorurteile zu schüren, sei hier angefügt, dass sich dieses vorzugsweise auf den älteren, in der Kampagne lebenden Franzosen bezieht. In der Gegend rund um Angers, dem Anjou, dominiert eine Spezialform dieser freizeitlichen Betätigungsart: das Boule de Fort. Übersetzt: Boule für die besonders Harten (Kugeln). Das Spiel findet in einem Kegelclub-ähnlichen Gebäude statt, indem es nach durchzechten Nächten riecht. Die Bahn ist anders als beim Kegeln 25m lang, ziemlich breit und halbrund geformt. Die Form ähnelt einem Schiffsbauch – denn früher haben sich domestizierte Seebären auf den Transportschiffen der Loire des Boule de Fort vergnügt. Die Kugeln sind an den Seiten abgeflacht und eiern ein bisschen verloren die Bahn entlang. Das Spiel ist für die besonders Harten, da es eine Konzentrierung jeglicher Geduldszellen des Gehirns verlangt. Die Kugeln bewegen sich nämlich mit einer Geschwindigkeit von zwei Minuten pro Quadratmillimeter. Das heißt man braucht viel Zeit und gute Gesprächsthemen. Oder ganz einfach: Viel Wein. Interessanterweise gibt es 367 Vereine im ganzen Anjou, der nicht gerade durch geografische Größe besticht. Sogar Kindermannschaften erfreuen sich an der traditionellen Sportart (ich frage mich, ob diese jungen Menschen sämtlichen kindlichen Bewegungsdrang bei den „Spectacles“ ausgelassen haben, um diesem langsamen Spiel Motivation entgegenzubringen).
Soviel zu meiner ersten Kulturanalyse. Um noch mal etwas persönlicher zu werden: Ich wohne hier in einer WG mit einer Französin zusammen, wovon ich mir eine Kometenartige Verbesserung meiner doch eher verschwommenen Französischkenntnisse erhoffe (Im Moment erfolgt eine Verbesserung in der Geschwindigkeit der eben beschriebenen Boulekugeln – aber ich bleibe optimistisch.) Den nächsten Artikel schreibe ich auf Französisch! (Das ist zu optimistisch.) Auf jeden Fall werde ich wieder viel zu berichten haben. Über das Leben als Austauschstudentin (ich bin hier eine von 250 verschiedenster Nationalitäten), über französische Bürokratie, die Uni und andere kulturelle Highlights. A bientôt!